Herdenschutzhunde:
Herdenschutzhunde gehören zu den wirklich ursprünglichen Hunden, und weil sie vieles von dem, was andere Hunde nur noch in geringem Mass als natürliche Verhaltensweisen besitzen, noch in unverfälschter Form darstellen. Noch.
Hunde waren, nachdem sie in Menschenhand gerieten, fast ausschliesslich Nutztiere. Bis der werdende Haushund den Schutzaufgaben bei Nutztierherden, auch ohne Selbstbedienung zuverlässig nachgekommen ist, wird noch sehr viel Zeit vergangen sein. Ebenso wie verwilderte Haushunde folgen auch unbeaufsichtigte Hunde im Zufallsrudel heute noch ungehemmt ihrer selbständigen Nahrungsbeschaffung.
Der eigennützige Beutetrieb bei den frühen Haushunden nahm erst in vielen Jahrhunderten ab, weil die Hunde zunehmend in Abhängigkeit von Menschen gerieten oder von ihnen versorgt wurden. Dies führte immer mehr zur Territoriumstreue, und die wiederum zum Schutz des Territoriums - inklusive Menschenfamilie (als Ersatzrudel) - vor den Wildhunden.
Aus den Erfahrungen der ersten menschlichen Herdenbesitzer (erste Nutztierhaltung vor vermutlich mindestens 7 000 Jahren) mit Hunden ist anzunehmen, dass sie ihre Nutztiere erst einmal im offenen Gelände ohne Unterstützung durch Hunde zusammenhielten und zu beschützen versuchten. Einige Wildbiologen meinen, dass diese Haushundemacher durchaus gute Erfahrungen mit den Wildhunderudeln machten, weil sie durch ständige Opfergaben in Form verendeter Herdentiere ein Territoriumsbewusstsein heranbildeten.
Interessant erscheinen mir dazu, was das Alter der Herdenschutzhundewerdung betrifft, einige wissenschaftliche Untersuchungen (zum Beispiel M. Heun und andere: "Site of Einkorn wheat domestication identified by DNA fingerprinting" in "Science" 1997) über die Entstehung von Getreide zu sein. Denn dies begründete ja die Haltung von Nutztieren, die es dann zu schützen galt.
Eine Theorie über die Entwicklung von Schutzhunden für Vieh verläuft parallel zur Entwicklung von Landwirtschaften und halb-dauerhaften Wohnsiedlungen. Im heutigen Gebiet um Syrien, Iran und der Türkei entstand Viehhaltung nach unserem gegenwärtigen Wissen zuerst. Archäologen geben mittels alter Knochen und versteinerter Überreste dieser alten Kulturen Auskunft über solche Fragen. Dies können aber auch Paläobotaniker.
Sie wenden die DNA-Bestimmungsmethoden auf Funde von Weizenkern-Überresten an, die in archäologischen Fundstätten im Gebiet des "fruchtbaren Halbmondes" entdeckt wurden. Die Wissenschaftler wollten die Erbanlagen von wildem Weizen von denen des hausgezüchteten Weizens unterscheiden und herausfinden, wo die Wiege der Zivilisation lag. In dieser Studie wurden 1 362 Einkorn-Weizenproben aus den Fundstätten in nicht landwirtschaftlich genutzten Gebieten aus der selben Region heute verglichen. Man suchte nach der besten Übereinstimmung beider Analysen und fand sie in der Türkei. Die Forscher datierten die Weizenkernfunde auf 7800 bis 7500 vor Christus.
Die Kultivierung von Getreide ergab die Möglichkeit, Nutztiere zu halten. Gleichzeitig musste dieses Vieh - zuerst Ziegen, später Schafe - von dazu geeigneten Hunden geschützt werden. Eine bewusstere Selektion nach geeigneten Arbeitshunden unter den Hirten war wohl entscheidend für die Prägung der Veranlagungen zum Hüten, Treiben, Beschützen. Aus den spezieller werdenden Aufgaben der Herdenzucht suchten die Hirten nun mit der Zeit kleinere, wendige für das Treiben, Zusammenhalten und Abschneiden, grössere für Wach- und Schutzaufgaben.
Herdenschutzhunde stammen aus Asien. Genauer zu lokalisieren ist dies bislang wissenschaftlich nicht. Es ist nicht auszuschliessen, dass diese Hunde von Wanderhirten auch aus dem Bergland des indischen Subkontinents nach Kleinasien und von dort aus in den (südöstlichen) Westen mitzogen. Heute noch findet man in diesen Gegenden viele Typen, die ungefähr denen entsprechen, die heute noch die eingefleischten Rassehundefunktionäre aus den Industrieländern nicht "entdeckt" haben.
Zwei Grundtypen dürften die Schutzaufgaben der Hirten übernommen haben: einer, der in der Färbung mehr den schutzbefohlenen Tieren entsprach: meist weiss, gross, aber sehr beweglich. Der andere viel schwerer (früher Molossertyp, also nicht so massig wie die modernen), der eher ums Haus oder Zelt herum wachte. Diese Hunde waren in der Färbung eher dunkel, meist braun oder graubraun. Es ist sehr wahrscheinlich, dass beide Grundtypen nach Eigenschaften und Klimata selektiert wurden. Die Vielfalt dieser Hunde beweist dies
Dass die Molosser mit den Herdenschutzhunden heutiger Prägung verwandt sind, liegt auch aus der geografischen Nähe der Volksstämme der Molosser im heutigen Balkan bis Kleinasien nahe. Einige Rassen, die heute unter den Molossern zusammengefasst sind, firmieren auch als Herdenschutzhunde (Pyrenäenberghund, Mastin Espanol, Mastin de los Pirineos oder der eher als Tibet-Mastiff bekannte Do-Khyi). Ein Kaukase ist sicherlich diesem körperbaulichen Typus ebenfalls ähnlich. Das gilt auch für den Sarplaninac und seine Verwandten, sie stammen denn auch aus dem Gebiet der frühen Molosser. Andersherum sind einige der grossen Berg- oder Sennenhunde aus den Alpen beiden Gruppen nahe, körperbaulich und in manchen psychischen Eigenschaften.
Die frühen Herdenschutzhunde - also die meist hellfarbigen - wachten draussen bei der Herde. Sie bewegten sich innerhalb und ausserhalb der Herde, weil sie einem Angreifer nicht gleich auffallen sollten. Wölfe oder menschliche Räuber sollten sich in der Dämmerung oder Nachts sicher fühlen und meinen, es seien nur Schafe. Ist eine imaginäre Grenze jedoch von diesen Angreifern überschritten worden, griffen die vermeintlichen "Schafe" unverzüglich an und bissen. Fortan sahen sich die Räuber vor.
Einige dieser Herdenschutzhunde kamen natürlich mit den Wanderungen der Hirten und per Schiff weiter nach dem heutigen Südrussland, Slowakei und Polen, nach Südost- und Südeuropa (Portugal, Spanien, spanische und französische Pyrenäen, Mittelitalien, Jugoslawien, Albanien, Griechenland, Ungarn, Rumänien, Bulgarien) voran. Dort bildeten sich Interessengruppen und züchteten eigene Formen ihres Herdenschutzhundes.
So rekrutieren und rekrutierten sich die aktiven Herdenschutzhunde vornehmlich aus dem vorderasiatischen Raum, aus dem südosteuropäischen bis zum Kaukasus, und die Oase des mittelitalienischen Berglandes bis zum iberischen Raum einschliesslich der Pyrenäen. Aus Gegenden und von Völkern, die grosse Herden - meist Ziegen und Schafe - vor zweibeinigen Räubern und tierischen Beutejägern zu schützen hatten. Ich denke, zu allen Zeiten waren die menschlichen die häufiger auftretenden Räuber.
Vor einigen Jahren entdeckten die Amerikaner diese Hundeart. Sie beschossen die Wölfe und Kojoten mit wenig Erfolg. Ja, die Kojoten populierten quasi gegen ihre Ausrottung. Also fanden sich ein paar natürlicher denkende Menschen und holten sich einige Hunde aus den Ursprungsländern. Sie lernten erst, dass die Hunde wieder auf ihre Schützlinge geprägt werden mussten, weil sie vermieden, auch die hundeerfahrenen Hirten um ihre Erfahrung im Umgang mit dem Training nachzufragen. Aber nach und nach zeigten sich Erfolge. Die Risse blieben aus.
Daher findet sich heute in Nordamerika die wahrscheinlich weitaus grösste Population an vielen Herdenschutzhundearten, nicht mehr in den Ursprungsländern. Die Amerikaner gaben diesen Hunden auch interessanterweise korrekte Bezeichnungen: Livestock (oder Flock) Protection (oder Guard) Dogs (Livestock und Flock für Herde, Protection oder Guard für Schutz). In Nordamerika wie in Europa verdrängte die zunehmende "Modernisierung" die Herden, danach die Wölfe, und schlussendlich die aktiven Herdenschutzhunde. Natürlich mussten diese Hunde (siehe auch der andere grosse türkische Hund aus dem Gebiet Sivas, der Kangal) jedes Territorium beschützen. Was sie so nachhaltig tun, dass jeder Türke, der von diesen Hunden weiss, mit stolzer Ehrfurcht von ihnen spricht. In Italien spricht man auch mit grossem Respekt von den grossen weissen Hunden. Meist zur Osterzeit. Dann nämlich, berichteten mir Hirten, machen sich junge Burschen nächtens auf die Socken, um Lämmer zu stehlen. Wenn sie es denn ungeschoren schaffen. Daher sagen die Hirten und Halter von den weissen Maremmani-Abruzzese-Hunden, dass sie mehr vor den zwei- als von den vierbeinigen Räubern beschützen müssen.
Den Herdenschutzhunden ist es egal, was sie beschützen. Meist Lebewesen aller Art; automatisch, wenn Wächter, in Südamerika mehrere Importe als Grossherdenschützer, in den USA schützen sie von Puten, Ziegen, Schafen bis zu Pferden alles, wie auch in den übrigen arbeitsbeschaffenden Ländern in Europa - und immer noch traditionell in Südeuropa und Asien. Aber die Arbeitslosigkeit unter diesen Hunden nimmt zu, weil die Einsatzgebiete wegfallen. In Frankreich unternimmt gar der Staat eine Arbeitsbeschaffungsmassnahme: der Pyrenäenberghund soll wieder in sein ursprüngliches Arbeitsgebiet versetzt werden.
Gesund: ja, relativ
Die Lebenserwartung - bei nicht auf Show durchgezüchteten Hunden - ist im Vergleich zur Grösse überraschend hoch. Weit über zehnjährige Hunde sind keine Seltenheit.
In den USA lebt noch ein 16 Jahre alter Akbas-Rüde. Zwei andere starben Ende 1999 im Alter von jeweils 14 Jahren. Für eine derartig grosse Rasse ein bewundernswertes Alter. Und ein kleines Indiz für - noch - gesunde Erbanlagen.
Rassetypische Erbkrankheiten sind bei den meisten Herdenschutzhunden (ausser HD beim populären, "durchgezüchteten", daher phänotypisch gleichmässigsten Kuvasz und anderen, als hundezuchttypisch bekannten Krankheiten bei anderen populären Typen) bislang noch nicht eklatant durchgeschlagen, oder vielmehr: wegen geringer Popularität der meisten Varietäten noch nicht auffällig. Je populärer die Typen, desto anfälliger für die allseits bekannten Erbkrankheiten.
Die Ausnahmen zieren die Shows und die Tierarztpraxen: darunter die aus mieser Zucht oder bei bereits populär-gezüchteten Typen mit HD, was bei den seltenen Rassen noch unbekannt ist. Auch spezielle Krankheitsbilder wie Autoimmunschwächen beim Do-Khyi. Leider sind viele mehr und mehr überschwere Typen wie der "moderne" Type des Pyrenäenberghunds darunter. Der hat leider auch die sonst für Herdenschutzhunde untypischen "offenen" Augenlider.
Was ein Herdenschutzhund ist - und was nicht
Der Streit darüber, dass Herdenschutzhunde doch richtig Hirtenhunde genannt werden müssten, geht mitunter kuriose Wege. Da werden dann die einheimischen Übersetzungen als Beweis angeboten, die aber meist das Subjekt des Schutzes meinten und nicht den menschlichen Besitzer, den Hirten oder Schäfer. Und es muss deshalb nicht richtig sein, nur weil es die Herkunftsländer so - meist zurecht nicht pingelig meinend - schreiben. Die Portugiesen bezeichnen da zum Beispiel ihren Laboreiro - übersetzt - schlicht als Arbeitshund.
In den slawischen Sprachen bedeutet die gebräuchliche Vorsilbe (hier in polnisch, aber verwestlichter Schreibweise) Owca - für Owcarek (gesprochen: Ofza-), bei den Russen eben Owtscharka - lediglich Schaf, aber nicht Schäfer. Was natürlich auch vereinfachend ist, denn die Hunde beschützten alle Nutztiere, nicht nur Schafe. Und "Hirtenhund" wäre zu verallgemeinernd, bezöge sich auch auf völlig anders arbeitende Hütehunde, zudem aufgabengemäss hirtengebundene. Sie arbeiten aber aufgabengemäss weitestgehend autark, also ohne Hirten.
Es ist ein Erkennungszeichen von vielen (nicht allen) Herdenschutzhunden auf der ganzen Welt, dass man sie im "Normalzustand" als über dem Rücken aufrechte oder gerollte buschige Rute erkennt. Wie bei den Schlittenhunden legen sich Herdenschutzhunde ihre buschige Rute als Windschutz über den eingerollten Körper beim Schlafen.
Die Rute wurde und wird nur beim "Mittelasiaten" von den Hirten und - das ist noch blöder - von den Züchtern als Merkmal gekürzt. Leider nicht nur die Rute. Bei den Kaukasen und manchen türkischen Karshunden kürzen die einheimischen Züchter immer noch die Ohren. Als ob sich die Wölfe nur in die Ohren verbeissen würden (das ist nämlich der angegebene "Grund" für das Kupieren.)
Die Varietäten-Breite ist vielfältig, je nach Aufgabe ("Angreifer"-Grösse), landschaftlicher Beschaffenheit und Klima. Herdenschutzhunde gehören mit einer Grössen- und Gewichtsbereich von rund 60 bis fast 90 cm Schulterhöhe und 30 bis fast 100 kg Gewicht mit den Molossern zur mächtigsten Hundegruppe.
Herdenschutz-Hündinnen werden, im Vergleich zu anderen Hundetypen, nicht nur etwas, sondern deutlich "zierlicher" als die Rüden. Dieses Verhältnis findet sich im caniden Bereich sonst nur bei Wölfen wieder. Aber auch dies: Es gibt keine Regel, nur eine "statistische" Mehrheit. Die Variabilität kann erheblich schwanken, bis zu Hündinnen, die grösser als der durchschnittliche Rüden werden. Das beweist, dass Züchter noch wenig den Phänotyp manipuliert haben. Ausnahme ist aber bereits der "durchgezüchtete" Typ Kuvasz, der jedoch nicht mehr als Herdenschutzhund arbeitet. Beim Kuvasz, dem populärsten Vertreter, ist die von Züchtern gewollte Gleichförmigkeit anderer Rassehunde erreicht.
Die einzelnen bekannten Typen sind in der Übersicht bereits aufgezählt. Die grundlegenden Eigenschaften sind einander ähnlich. Aber die äussere Vielfalt ist interessant und zeugt noch von der Züchtung nach Leistung, nicht nach Äusserlichkeit. Im Iberischen Raum ist die ganze Bandbreite an Körpergrösse vorhanden, dort arbeiten wohl auch noch die "ursprünglichsten" Typen von Europa. Von den flinken, kleinen Laboreiro (rund 60 cm Schulterhöhe) über die grösseren Estrela und mächtigen Rafeiro bis zum molossoiden Mastin Espanol (Rüden meist über 80 cm und zwischen 70 und 100 kg), den beiden weissen, meist leicht "befleckten" Riesen der Pyrenäen (nur wenig kleiner und leichter als der Gigant Mastin).
Die zwei Typen im italienischen Mittelbereich, davon gibt es einen etwas kleineren und schlankeren Taltyp aus der Maremma (und Umgebung) und einen - den anderen fast reinweissen Hsh - sehr ähnlichen Bergtyp aus den Abruzzen (heute zu einer Rassebezeichnung zusammengefasst), und eben die Verwandten aus der Slowakei, Tatra, Ungarn (Cuvac, Podhalanski und Kuvasz), diese Typen werden als Rüden gut 70 cm (Kuvasz rund 75) hoch, wiegen zwischen 40 und 50 Kilo. Auch in Rumänien gibt es solche Weisse, ähnlich den sehr hellen Farbschlägen des jugoslawischen Sarplaninac, diese Hunde werden als Rüden um 70 und mehr Zentimeter gross und meist über 40 kg schwer.
Das gilt auch für die grau- und braungewolkten Typen des Sarplaninac aus Jugoslawien, dessen wohl kaum noch reinrassig vorhandenen Kollegen aus Rumänien, dem Carpatin. Der kleinere Kraski (60 bis 65 cm) ist meist nur graugewolkt, der bosnisch-makedonische Tornjak und der im angrenzenden Nordgriechenland arbeitende Ellenikos Pimenikos. In Bulgarien arbeitet der Karakatchan, ein dem Sarplaninac und den grösseren, wahrhaft majestätischen Kaukasischen Owtcharka (meist 75 bis fast 90 cm hoch und zwischen 50 und über 70 kg schwer), dessen mittelasiatischen Typ und der extrem lang befellten Varietät des südrussischen Owtscharka, der im ungarischen Komondor sein Pendant findet.
Im asiatischen Raum befinden sich viele der Urtypen mit allen Farb- und Fellschlägen. Der tibetische Do-Khyi ist der wenigen Vertreter, der nach Europa gelangt ist. Aus Asien kamen sie nach Europa, daher sind wohl auch die Hunde aus dem türkischen Bereich die ersten gewesen, die Herden und Objekte schützen.
Der Karshund im Osten der Türkei und natürlich im Grenzbereich der Nachbarstaaten, ein Verwandter der Owtscharki, und vor allem der in der Türkei als Nationalhund verehrte Kangal mitsamt dem Karabash (heisst Schwarzkopf, beide Hunde sind sich sehr ähnlich), und der wohl ursprünglichste Weisse, der Akbash (heisst Weisskopf) mit dem wolfsähnlichsten, also optimalsten Geläuf, der von den Türken leider als Reinzucht vernachlässigt wird. In Kangal und Akbash (beide als Rüden zwischen 75 und über 80 cm hoch und zwischen 45 und 60 Kilo schwer, der Akbash ist der leichtere, ihn gibt es in zwei Felllängen: mittel und lang) steckt wohl auch etwas Hetzhundeblut, weil sie im Gegensatz zu den meisten anderen Herdenschutzhunden etwas jagdtriebiger sind.
Nicht genannt sind hier die vielen bodenständigen Hunde, die - von westlichen Hundebuchautoren erfreulicherweise noch unentdeckt - ihre hervorragende Arbeit als Herdenschutzhunde verrichten. Damit sind vor allem die vom indischen Subkontinent (Hindukusch) gemeint, die hundezeitung schon mal speziell kurz beschrieb: www.hundezeitung.de/hundekunde/inder-hunde.html
Diese Hunde müssen um so stärker auf Menschen sozialisiert werden, wenn sie - ausserhalb ihrer ursprünglichen Aufgabe in menschenleeren Siedlungen - als Haushunde in dichter besiedelten Räumen gehalten werden. Ihr Bewegungsbedarf ist überdurchschnittlich, reine Wohnungshaltung sollte dagegen tabu sein.
Ich lese in letzter Zeit oft davon, dass diese Hunde "nicht für jedermann" oder "nur in erfahrene Hände" gehörten. Das ist richtig und gut gemeint, reizt aber ausgerechnet jene, die sich nicht als Jedermann oder gar - selbst überschätzend - als erfahren für diese sehr selbstbewussten (sofern die Prägung und Grundausbildung dieser Entwicklung entsprach) Hunde glauben. Das kann fürchterlich in die Hose gehen.
Grosse Hunde sind nicht Spät-, aber Langsamentwickler, sie entwickeln sich auch körperlich gleichmässiger. Das ist nicht zu verwechseln mit geistiger Langsamkeit, denn genau darin sind sie wie alle Arbeitsprägungen höchst "helle". Ich meine mit "langsam" nur die Dauer bis zur völligen Ausreifung des Körperbaus. Das kann bis zu drei Jahren dauern. Im charakterlichen Typ ausgereift sind sie oft erst mit rund vier.
Luise Daser züchtete früher Šarplaninac-Herdenschutzhunde, hörte aber unter anderem wegen der üblichen Vereinsmeiereien auf. Heute hält sie tibetische Spaniels. Ein Faible hat sie natürlich immer noch für diese Grossen. Gerade in der "Kampfhunde-Hysterie" wurden vornehmlich die Kaukasischen Owtscharki in diese pauschale Verleumdung hineingezogen, wie üblich ohne jede qualifizierte Begründung.
Sie mailte zu einem Forums-Thread noch eine kleine Episode: "Zu den Vermenschlichungen muss ich noch was mitteilen. Ich erhielt ein Video aus Russland, auf dem Hundekämpfe mit Kaukasen gezeigt wurden. Zwei starke Rüden standen sich mit hoch erhobener Rute gegenüber und wurden gleichzeitig von der Leine losgemacht. Wütend gingen sie aufeinander los. Schnell zeigte sich, wer der Stärkere war.
Der Unterlegene unterwarf sich. Der siegreiche Kontrahent verliess steif den Kampfplatz und war zu einer Fortsetzung nicht zu bewegen. Ein Herdenschutzhund kann nicht sinnlos seine Kräfte verprassen! Die Lage war geklärt, und der enttäuschte Besitzer konnte auch durch herumfuchtelndes Anfeuern nichts ändern. Kluger Hund! Er sollte unsere ganze Hochachtung bekommen, denn er ist viel klüger als sein dummer Besitzer."
Aus dem Spüren, Hetzen und Treiben sind durch geschickte Menschen Hunde- Spezialisten geworden. Die einkreisende Arbeit von Hüte- oder Schäferhunden ist nichts anderes als umfunktioniertes Treiben.
Ganz anders arbeiten Herdenschutzhunde. Es sind Hunde mit geringstmöglichem Jagdtrieb (bis auf die erwähnten Ausnahmen). Sie vertreiben Eindringlinge, setzen ihnen nach, verfolgen sie eine Weile; dies darf man nicht verwechseln. Jagen wäre aber nachhaltiger Beutetrieb, und das haben die meisten Herdenschutzhunde nicht.
Herdenschutzhunde müssen aber strikt herdengebunden sein: ein Ausbildungsziel. Die Hunde warnen deshalb innerhalb ihrer selbstgewählten Distanz für Fremde, ob Mensch oder Tier. Diese wenigen deutlichen Warnungen müssen ernst genommen werden, sonst erfolgt ein - ebenfalls selbstständiger - Angriff. Selbst läufige Hündinnen sind kaum von der Herde wegzulocken.
Wie arbeiten sie nun denn, die aktiven Typen? Sie arbeiten vor allem schlecht als Einzelhunde. Wenn Nutztierzüchter glauben (aus Geiz?), ein einziger Herdenschutzhund (womöglich als Junghund - sie brauchen mindestens 30 Monate, um erwachsen zu sein) würde genügen, seine Aufgabe allein übernehmen, dann schieben sie es auch noch auf den Hund zu, der nicht von erfahrenen Herdenschutzhunden lernen kann. Sie arbeiten viel effektiver, und so ist es auch natürlich im Rudelverband, wenn die kleinen Herdenschutzhunderudel von mindestens vier Hunden die Heranwachsenden mit Selbstbewusstsein und Erfahrung im Umgang mit den Eindringlingen und den Schutzbefohlenen unterweisen. Das können - wie bei anderen Hütehunden - nur die Althunde.
Herdenschutzhunde warnen von weitem mit durchdringendem Gebell, wenn fremde Menschen zu nah an die Herde herankommen. Ignorieren die Fremden diese Warnung, kann es sein, dass ein Hund einen Scheinangriff ansetzt. Aber nur einen Scheinangriff. Der nächste ist kompromisslos.
Bei grossen Herden arbeiten meist mehrere Hunde innerhalb und ausserhalb der Herde. Nachts ziehen sie einen Kordon um die Herde, wandern daher oft um die Herde, sondieren die Umgebung, postieren sich scheinbar ruhig liegend um die ruhende Herde. Im Morgengrauen beziehen sie aber "Posten", sind hellwach. Dann ist Hauptangriffszeit der Wölfe und Kojoten.
Erst die Hunde aus Europa brachten einige amerikanische Rancher vor fast 30 Jahren darauf, dass diese Hunde erfolgreich vor Wölfen und Kojoten schützen. Die ersten von Ray Coppinger aus Italien nach USA mitgebrachten waren ein paar Maremmani-Abruzzese, dann folgten Šarplaninac, Komondor und Podhalanski.
Die Neulinge auf diesem Gebiet glaubten aber, diese Hunde könnten wie Maschinen einfach ins neue Revier eingeflogen werden und - fertig ist der Schutz. Sie müssen sich auch anpassen und eingewöhnen. Die meisten dieser Hunde hierzulande haben freilich so viele Wölfe gesehen wie Stadtmenschen. Sie arbeiten auch nie alleine, Junghunde benötigen als Lehrmeister Alttiere. Aber nach der Lehrzeit keinen Hirten.
Um eventuell doch neugierige Jungspunde an die Herde zu binden, bindet der Hirte ihnen Holzpflöcke um den Hals. Die baumeln und schlagen an die Vorderläufe beim Wegrennen, dass es diesen "Herdenflüchtern" bald vergällt, wegzulaufen. Ein guter Herdenschutzhund bleibt so eisern bei den Schützlingen, dass es schwer wird, eine Verpaarung einander zunächst fremder Tiere zu arrangieren.
Man sollte es vermeiden, so gut es geht, aktive Herdenschützer-Alttiere in urbane, enge Siedlungen mit viel wechselnden Menschenansammlungen verpflanzen zu wollen. Aber Jungtiere, womöglich eh abgestossen von Hirten, denen macht es nichts aus, worauf sie geprägt werden - es müssen nicht immer vierbeinige Schafe sein;-)). Wenn die Umgebung und Situation und Rudelbindung (Menschenfamilie) dem Hund angemessen bleibt. Die Hunde sind - wie andere auch - flexibler, als manche ihnen zuschreiben.
Selbst nicht mehr im aktiven Dienst arbeitende Herdenschutzhunde bleiben territorial- und schutzbewusst: Sie behüten alle Sub- und Objekte, die zum eigenen Revier/Familie gehören, sehr konsequent.
Durchaus typisch: Marder sind den instinktsicheren Hunden biologisch suspekt, weil sie in nicht in das lange veranlagte Instinkt-Repertoir passen. Es sind keine Haustiere, normal. Eine Hündin aber schützte just Marder, die aus dem Gehege ausbrachen, vor anderen Hunden, die bereits Jagd auf die "Haus"-Marder machten. Vorher fand Hündin diese Marder als Haustiere befremdlich und daher eher unerwünscht.
Als Alttiere werden sie meist "fremdenabweisend": was nicht zum Rudel gehört, möge auf Distanz bleiben. Wird höchstens argwöhnisch geduldet, aber nicht aus den Augen gelassen. Das sollten vor allem die Knuddler und Grapscher und die selbstherrlichen Menschen respektieren, die damit angeben, zu ihnen kämen alle Hunde.
Schutzhundearbeit ist für beide Parteien vom Übelsten, was man den Hunden - und den Figuranten - antun kann. Denn sie lassen sich nicht unterordnen und dann auf "Kommando" abrufen. Aber Fährtensuchen können sie schon. Es gibt auch Therapie- oder Behindertenbegleithunde unter ihnen. Eine konsequente hundeverständliche Grundausbildung ohne jegliche Gewalt (sonst ignorieren sie im besten Fall) haben sie sehr schnell drauf und müssen sie auch lernen dürfen - schon aus sozialverträglichen Gründen.
Ausbilder beiderlei Geschlechts, die Herdenschutzhunde verstehen und freudig mit ihnen das den Hunden Verständliche erarbeiten, für die sind andere Hunde dann wie Urlaub. Aber diese Ausbilder haben dann wirklich viel gelernt. Angeber fallen freilich auf die Fresse, sie können von Herdenschutzhunden (und anderen ähnlichen Charakteren) fürchterlich blamiert werden. Dass dann der sture Hund an diesem Versagen schuld sein muss, juckt den Hund nicht.
Apportieren tun sie nur in Ausnahmen, und nur das, was sie selber "brauchen". Ballspielen findet ab und zu im Welpenalter statt, dann kaum noch (finden sie blöd), sie ziehen natürliche Gegenstände als "Opfer" spielerisch vor. Gern Körperteile anderer Hunde. Bei meinen beiden Herdenschutz-Hündinnen ist mit im Vergleich zu anderen (auch eigenen) Hunden aufgefallen, dass sie als Welpen diese "Wesenstests" in Welpenschulen mit grösster Gelassenheit zügig absolvierten. Aber nur so lange, wie es ihnen nicht langweilig wird. Also maximal zweimal.
Was diese Freiheitsfanatiker unter den Hunden brauchen, ist Raum, und damit ist keine Riesen-Suite in einer Stadt gemeint. Lebensraum, möglichst in gering besiedelter Natur. Und die Halter brauchen einen sehr hohen und besonders stabilen Zaun - ich rate zu fast zwei Metern Höhe. Wobei ein massiver Zaun oft für leichtere und daher athletischere Hunde leichter zu erklettern ist - weil er mehr Angriffsmöglichkeiten bietet - als ein zwar fest verankerter, aber labiler (meine Erfahrung). Letzten Endes soll man es nicht für möglich halten, über welche Hindernisse solch grosse Hunde kommen können. Die schwereren Kaliber können freilich auch ihre Masse als Ramme einsetzen, wenn sie dies für nötig halten.
Buddeln können sie als gebürtige Selbstversorger auch. Aktive Herdenschutzhunde sind von alters her Selbstversorger und vergleichsweise genügsame Futterverwerter. In ihrer Heimat sind sie als Arbeitshunde auf sich angewiesen, bekommen vom Hirten nur ab und zu Fladenbrot und Ziegen- oder Schafsmilch. Sie graben daher gern unter anderem Wurzeln und sonst Verwertbares aus. Sie bauen gern ihre eigenen Höhlen. Sie behalten auch gern ihre Übersicht, von der sie alles im Blick und unter Kontrolle haben.
Sie haben mitunter auch als junge Tiere gehörigen Schalk im haarigen Nacken. Das verwundert und amüsiert deshalb, weil vor allem jene Menschen, die fürchterliche Märchen über diese Bestien gelesen haben, ihnen bei aller Macht und Kraft und Seriosität solche ad hoc inszenierten Albernheiten am wenigsten zuzutrauen scheinen.
Letzten Endes sind Herdenschutzhunde auch bloss Hunde.
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